KM - musikGRAV

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Testnachricht
Herausgegeben von Jörg Gravenhorst - 3/10/2020
Bodenseminar bei der Klangmanufaktur in Hamburg - ein kleiner Bericht
    
Bereits zum dritten Mal nahmen wir als KlavierEck an einem Seminar der Hamburger Firma Klangmanufaktur teil. Diesmal ging es um das Thema „Boden“.
Da wir im Gegensatz zum ersten Mal wussten, wo sich der Eingang befand, kamen wir schneller zum Eingang der Firma.
Wenn man es nicht weiss, ist man nach Erreichen der dritten Etage erst mal irritiert: Ein weißer gefangener Raum mit kaltem künstlichen Licht öffnet sich dem Besucher.
Etwas Kurioses erwartet den Besucher nun auf dem Weg zur Eingangstüre der Klangmanufaktur:
Auf großformatigen Fotografien sind Klavierinstrumente in bedauernswerten Zuständen in lange nicht mehr bewohnten Häusern oder Sälen zu sehen. Später erfuhren wir, dass dies Bilder des Fotografen Romain Thiery (Homepage) sind, der weltweit wegen solcher Motive unterwegs ist.
Die Eingangstür zur Firma empfängt einen Besucher dann allerdings umso herzlicher: „kommen Sie rein ....“.
Nach Öffnen der Türe steht man plötzlich in einer anderen Welt: eine Schreinerei mit Flügeln tut sich einem auf. Von irgendwo ertönt ein freundliches „Hallo“: Der Geschäftsführer Oliver Greinus hat uns Ankömmlinge erblickt und kommt freudig auf uns zu. In der Küche bzw. dem gemeinsamen Treffpunkt, trifft man auf andere Kursteilnehmer und Mitarbeiter der Klangmanufaktur. Sofort entstehen interessante Gespräche. Eine kleine Fachbibliothek lädt zum Stöbern ein.
Hier ist der richtige Ort, um Neues zu hören und Erlebtes sacken zu lassen.
Seien es die süchtigmachenden französischen Zimtschnecken, heißer Kaffee, frisches Obst oder einfach nur Süßkram à la Snickers und Co: Das Büroteam war für uns Teilnehmer immer im Einsatz. Wir kamen uns als sehr willkommene Gäste vor. Auf gemeinsames Essen und regen Austausch wird immer großer Wert gelegt.
Wenn man sich die Tischgemeinschaft so ansieht, muss man sich sehr bewusst vor Augen führen, wo man sich gerade befindet.
Genau nach solchen Gemeinschaften und Gesprächen habe ich mich immer gesehnt.

Die erstmalige Ausschreibung des Boden-Seminars schien auf großes Interesse zu stoßen: Es war in 2 Tagen mit max. 12 Leuten schnell ausgebucht.
In der Vorstellungsrunde erfuhr man die Beweggründe und Erwartungen eines jeden Teilnehmers. Selbst aus Südafrika war ein Teilnehmer extra für dieses Seminar angereist.
Der (Resonanz-) Boden als das „musikalische Herz“ jedes Flügels bzw. Klavieres sollte für uns nun der zentrale Ort werden. Bevor der eigentliche Kurs aber begann, wurden wir durch die Räumlichkeiten geführt. Wir hatten den Eindruck, dass die Mitarbeiter auf uns warteten: ganz selbstverständlich erklärten sie ihre jeweiligen Arbeitsgänge.
Soviel kann ich bereits jetzt schon sagen: Es war für uns alle eine geistige Inspiration und große Wissenserweiterung.

Unser „Mann am Boden“ machte uns direkt zu Beginn des Seminares mit seinem persönlichen Mantra vertraut: „gleichmäßig - Hauptsache, es ist gleichmäßig“.
Sein Lächeln gepaart mit nordischem Humor begleitete uns von an. Seine fundierten fachlichen Auskünfte wurden immer wieder mit Anekdoten gewürzt.
Wir haben sehr viel zusammen gelacht. Auch hier war eine Herzlichkeit und Offenheit zu spüren, die es uns Teilnehmern einfach gemacht hat, immer wieder neue Fragen zu stellen.
„Bei allen“ war die Antwort auf die Frage, wie oft bei Reparaturen das Stegdoppel ersetzt wird. Wenn man die diversen Arbeitsschritte nachfolgend miterlebte, wurde die Antwort sofort nachvollziehbarer.
Nicht nur am Steg oder Boden wird sehr genau gearbeitet, auch die Gußplatte wird in ihrer Unterschiedlichkeit an die Gegebenheiten der Raste angepasst.
Obwohl jede Gussplatte scheinbar gleich aussieht, ist sie doch letztendlich zu ungenau, um bei ihr von bestimmten Maßen ausgehen zu können.
Für Außenstehende mag es befremdlich aussehen, wenn der „alte Bindfaden“ als Richtmaß für die Überhöhung oder Kippung des Steges eingesetzt wird. Er bietet aber nach wie vor ein hervorragendes Werkzeug, um diese Arbeit sehr genau auszuführen
Beim Beantworten einiger Fragen („wie machst Du dies oder jenes?“) kam unser Seminarleiter ab und zu ins Stocken. Nach kurzem „Befragen seiner Hände“, konnte er zur allgemeinen Erheiterung dann doch die Antwort geben.
Nicht nur wir Teilnehmer waren Lernende. Teilweise gab es gemeinsame Überlegungen, die dann zum Andenken neuer Lösungen führten.
Aufgrund seiner detaillierten Aufzeichnungen beim Anpassen des Steges bzw. der Platte kann er bei später auftretenden Schwierigkeiten schnell seinen Kollegen zur Seite stehen.
Uns beeindruckte immer wieder, dass nicht aus Tabellen auf irgendwelche Werte hingearbeitet wurde. Immer waren das Gefühl, die Intuition und die Erfahrung die entscheidenden Kriterien.

Die am Arbeitsplatz „Boden optimieren“ tätige Klavierbauerin ist zwar erst seit Kurzem in der KM, doch hätte sie bestimmt niemals daran gedacht, dass sie am „Herz eines Flügels“ arbeiten würde. Mit der Faust malträtierten wir Steg und Boden, um uns einen Höreindruck des noch nicht optimierten Bodens zu verschaffen. So wurden unterschiedliche Steifigkeiten hörbar. Für uns waren immer wieder die Unterschiede von vor zu nach einem Arbeitsschritt sehr beeindruckend. Die klanglichen Wechsel von „Gussplatte aufgeschraubt“ (ohne Saiten) zu „Gussplatte demontiert“, weiter zu „Lack entfernt“ und „Boden optimiert“ produzierte jedes Mal ungläubiges Staunen. „Ich höre es, glaube es aber nicht!“ schoss es bestimmt jedem Teilnehmer durch den Kopf.
Ich stelle es mir als etwas Bereicherndes vor, durch die eigenen Arbeiten am „Herz des Flügels“, die klanglichen Veränderungen so hautnah miterleben zu können.

Als sehr gelungen empfanden wir die Möglichkeit zwischen den Arbeitsgängen „Boden optimieren“ und „Steg an Boden / Platte anpassen“ wechseln zu können. Nach Fertigstellen eines  Arbeitsschrittes konnten wir die Veränderungen mit großem Staunen wahrnehmen.

Immer wieder gab es Pausen, damit gerade Gehörtes verarbeitet werden konnte. Meist ergaben sich dann wieder neue Fragen.
Neben den Arbeiten an den Instrumenten gab es immer wieder Möglichkeiten, andere Arbeitsgänge und Gedankengänge in der Klangmanufaktur vorgeführt zu bekommen. So erhielten wir beispielsweise Einblicke in das neu entwickelte Verfahren, Tasten bleilos auszuwiegen („Blei im Musikinstrumentenbau“ ist aktuell ein großes Gesprächsthema).
Im „Raum der Millionen“ gab es auf mehreren Steinway D Flügeln extra für uns Teilnehmer eine musikalische Vorführung: durch die Unterschiedlichkeit der Instrumente war es sehr spannend die jeweils „passenden“ Musikstücke hervorragend vorgetragen zu bekommen.

Wenn man bedenkt, dass bei allen Arbeitsgängen die Zauberworte Akribie und Stringenz über allem zu schweben scheinen, ist die Atmosphäre in der Klangmanufaktur als sehr beeindruckend zu bezeichnen. Natürlich wird es auch mal Differenzen geben, aber es wird immer nach einer gemeinsamen Lösung gesucht.
Es wird bestimmt nicht viele Handwerksbetriebe geben, in welchen in jedem Raum (!) Blumen stehen - ECHTE Blumen! Sie sorgen für Farbtupfer im sonst von Holz geprägten Umfeld.
Die Offenheit zu vielen Themen bieten immer wieder neuen Gesprächsstoff. Gerne tauscht man sich deswegen mit anderen Fachleuten aus.
Natürlich ist dieser Status nicht durch Zufall entstanden.
Im Abschlussgespräch werden die neuen Erkenntnisse mit den ursprünglichen Erwartungen an das Seminar abgeglichen. Eins kann man von allen Teilnehmern auf jeden Fall sagen: es war eine große fachliche und persönliche Bereicherung.
Der Geschäftsführer Oliver Greinus Ein Gedanke bei der Gründung war: „Was wollen wir NICHT?“
Ein eigens erstellter Bewertungsbogen für alle Geschäftsvorgänge („der Klang der Klangmanufaktur“) geben jedem Mitarbeiter allgemeine Verhaltensweisen an die Hand. Als Teilnehmer staunt man ob der Klarheit der Gedanken und deren Ausführung.
Wie bei den ersten beiden Malen haben wir eine inspirierende Zeit erleben dürfen. Den „Geist der Klangmanufaktur“ erleben dürfen, andere Fachleute kennenlernen dürfen und endlich bestimmte Fragen loszuwerden, hat uns eine schöne Zeit bereitet. Wir werden bestimmt bei nächster Gelegenheit gern wieder nach Hamburg fahren:
Hamburg ist eine Reise wert, besonders wenn man Halt in der Klangmanufaktur macht!
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